Die Berliner Abwasserkanäle sind 9.746 Kilometer lang. Das entspricht in etwa der Strecke von Berlin bis nach Lima, der Hauptstadt von Peru. Drei Viertel der kanalisierten Gebiete Berlins haben getrennte Abwasserkanäle für Schmutz- und Regenwasser. Ein Viertel der Stadt – vor allem der Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings – wird in einem sogenannten Mischsystem entwässert, in dem Regen- und Schmutzwasser in den selben Kanälen abgeleitet werden.
Die Kanalisation
Hast du dich nicht auch schon mal gefragt, wie es unterhalb einer Stadt aussieht und ob die Legende von Krokodilen in der Kanalisation der Wahrheit entspricht? Egal, ob Realität oder Mythos: Das Abwassersystem einer Stadt ist wirklich spannend!
Willkommen in der Berliner Unterwelt!
Das Mischsystem
Im Mischsystem fließt Schmutzwasser und Regenwasser gemeinsam durch einen Kanal ab. Der große Vorteil dieses Systems: Es verbraucht wenig Platz. Besonders in der Innenstadt tummeln sich unter den Straßen schon U-Bahnschächte und andere Leitungen. Deshalb finden sich Mischwasserkanäle vor allem im Zentrum der Stadt.
Das Trennsystem
Im Trennsystem wird Schmutzwasser und Regenwasser in zwei getrennten Kanälen abgeleitet. Der Vorteil ist, dass das Regenwasser direkt in Flüsse und Seen geleitet werden kann. Da es weniger stark verschmutzt ist, braucht es nur eine mechanische Reinigung durch Regenklärbecken, wenn es von stark befahrenen Straßen kommt. In einigen Stadtgebieten gibt es auch sogenannte Retentionsbodenfilter, die mechanische, biochemische und biologische Reinigungsprozesse vereinen.
Alligatoren in der Kanalisation?
Ob in der TV-Serie Futurama oder dem Online-Computerspiel World of Warcraft: Der Mythos von Alligatoren in der Kanalisation hält sich hartnäckig. Seit den 1930er Jahren, als ein Bauarbeiter in den USA kleine Krokodiljungen aus einem Gully holte, wird die Legende immer wieder erzählt. Ratten sind da schon eher gesehene Gäste. Manchmal verirrt sich auch eine Entenfamilie im Kanal. Aber wer weiß, vielleicht gibt es ihn, den Riesenalligator!
Was schwimmt denn da?
Die Wahrheit ist: Ausgewachsene Alligatoren gibt es in der Kanalisation nicht. Aber des Öfteren finden sich dort leider Dinge, die in der Kanalisation nichts zu suchen haben. Neben Schlüsseln, Eheringen, Führerscheinen und Gebissen, hat sich auch schon mal der Deckel einer Milchkanne in eines unserer Klärwerke verirrt. Dieser verklemmte sich in einer Pumpe, die nicht gestartet werden konnte. Aber auch jede Menge anderer Unrat ist zu finden. Vermisst du zufällig deine Sonnenbrille?
Ein Blick in die Röhre
Am "Tag des offenen Kanals" erleben Besucher die Stadt von einer anderen Seite: Gespannt steigen sie mehrere Meter tief in einen Regenüberlaufkanal, der mit seinen 4,20 Metern Breite und 2,40 Metern Höhe zu den größten begehbaren Bauwerken im Berliner Untergrund gehört. Unten angekommen, führen dich die Kanalarbeiter der Berliner Wasserbetriebe durch das Labyrinth von Röhren und begeistern mit ihren Geschichten. Halte Ausschau nach den Terminen!
Mit Roboteraugen bis in den letzten Winkel
Kanäle, die nicht begangen werden können, inspizieren die Berliner Wasserbetriebe mit Kamera-Robotern, die von oben aus einem Fahrzeug ferngesteuert werden. Sie schauen, dass die Kanäle nicht undicht sind, z.B. durch Risse, undichte Rohrverbindungen oder Wurzeleinwuchs. Größere Schäden können sogar die Stabilität von Straßen beeinträchtigen. Die Bilder aus dem Kanal werden von einem Computer aufgezeichnet. Mit einem laser-gestützten Messsystem kann die Größe von Lecks und Schäden ermittelt werden.
Der Hochdruckspülreinigungswagen
Die Kanäle werden regelmäßig gesäubert. Das macht man - früher noch von Hand - heute mit Hochdruckspülreinigungswagen (HDSR). Auch bevor die Kanalisation mit Kamera-Robotern auf Schäden geprüft werden kann, wird der jeweilige Kanalabschnitt mit einem HDSR-Wagen gereinigt. Ein enorm hoher Wasserdruck entfernt den Dreck, der ins Fahrzeug gepumpt und vom Schmutzwasser getrennt wird. Das Wasser wird sofort wieder zur Reinigung verwendet. Der übrig gebliebene Schlamm sammelt sich im Fahrzeugtank und wird später entsorgt.
Volle Pumpe!
Das Abwasser fließt über Hausanschlusskanäle dank der Schwerkraft zum Sammelkanal in den Straßen. Berlin ist in Entwässerungsgebiete aufgeteilt. Die Abwasserkanäle führen immer zum tiefsten Punkt eines Entwässerungsgebietes. Dort liegt ein Pumpwerk, das das Abwasser über Druckrohre zum Klärwerk fördert. Rund 150 solcher Pumpwerke gibt es im ganzen Stadtgebiet.
Ein Netz mit Geschichte
Vor dem Bau der Kanalisation herrschten in Berlin hygienisch unzumutbare Verhältnisse. Schmutzwasser und Abfälle aus Häusern und Höfen gelangten über Hausgossen in 50 cm breite und bis zu 60 cm tiefe Rinnsteine. Diese zogen sich als offene, schlecht gepflasterte Gräben zwischen Fahrdamm und Bürgersteig hin. Die Rinnen mündeten in die Spree und deren Seitenkanäle. Das Gefälle der Rinnsteine war oft zu gering und die Ableitung daher unzureichend. Abwasser versickerte in den Untergrund und verunreinigte das Grundwasser.
Für Hygiene gesorgt
Mit dem Bau des ersten Wasserwerks Ber-lins 1856 vor dem Stralauer Tor verschlimmerte sich das Problem: Mit dem gestiegenen Wassergebrauch stieg auch die Menge an Abwasser. Die unzureichende und ungeklärte Ableitung des Abwassers sorgte für unzumutbare hygienische Verhältnisse und Krankheiten wie die Cholera-Epidemie 1831. Im Jahr 1871 legte der aus Stettin berufene Baurat James Hobrecht einen Entwurf für die Entwässerung Berlins vor, den er maßgeblich mit dem Arzt und Politiker Rudolf Virchow durchsetzte.