Die Berliner Wasserversorgung vor rund 170 Jahren
Aus dem Wasserhahn fließt heute frisches Wasser, gut zum Trinken, Kochen, Putzen, Waschen … kaum ist es da, schon ist es wieder weg. Lange Zeit dachte Berlin nicht über sein Trinkwasser nach. Fast alle Häuser hatten einen Brunnen und schmutziges Wasser wurde auf die Straße oder in die Spree gekippt!
Wasser in Berlin. Wie war es früher?
1572 lässt der Kurfürst ein erstes Wasserwerk in Berlin bauen. Das geregelte Einsammeln und Säubern von Schmutzwasser begann erst später im Jahr 1878. Der Gelehrte und Forscher Dr. Rudolf Virchow sowie die Stadtbauräte Friedrich Wiebe und James Hobrecht verhalfen einem ausgeklügelten System für Wasser und Abwasser aus Brunnen, Wasserwerken, Wasserleitungen, Kanälen, Pump- und Klärwerken ans Licht der Welt. Was die drei Herren dazu brachte? Schwer zu sagen. Vielleicht hatten sie ganz einfach die Nase voll vom Gestank in ihrer Stadt.
1850 – Berlin stinkt zum Himmel
„Aller Unrat aus Häusern und Höfen gelangte auf schlecht gepflasterte Straßen, vermengte sich dort mit dem Straßenkot, was in Fäulnis und stinkende Gärung überging“. Direktor Magistrats-Oberbaurat Fritz Langbein beklagt 1928 rückblickend die miserablen Zustände in Berlin.
1850 kippen fast eine Million Berliner ihr Schmutzwasser zwischen Gehweg und Fahrbahn liegende Rinnsteine. Hier landet aller Müll und „Toilettengeschäfte“, was für üble Gerüche und gefährliche Krankheiten sorgt.
Dem König platzt der Kragen
Die Nase von Friedrich Wilhelm IV. ist beleidigt. Seine Stadt stinkt.
1852 platzt seiner Majestät der Kragen. Sein Polizeipräsident Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey holt die britischen Ingenieure Charles Fox und Thomas Crampton von der Themse an die Spree. Die bauen und betreiben ab 1856 ein Wasserwerk am Stralauer Tor. Hinckeldey bekommt dafür kostenlos Wasser zum Spülen der Rinnsteine, Feuerlöscher und fünf Springbrunnen.
Wasser aus Spree und Seen
Berlin wächst und wächst. Kurz nach 1856, die Dampfmaschinen im Wasserwerk „Stralauer Tor“ der „Berlin Waterworks Company“ laufen wie geschmiert, schnellt der Bedarf an Leitungswasser in die Höhe. Wie angenehm, Wannenbad und Wasserklo zu haben!
1873 übernimmt die Stadt das Zepter fürs Berliner Wasser. Die besten Ingenieure bauen die schönsten Wasserwerke in Europa – 1877 am Tegeler See und 1893 am Müggelsee. Und auch Grundwasser stillt mehr und mehr den Durst an der Spree.
Hilfe, wohin mit dem Schmutzwasser?
Die zentrale Wasserversorgung bringt Segen, weil sie die Rinnsteine spült. Doch die Abwasserflut wächst. Der Dreck fließt in die Spree, baden im Fluss ist kein Vergnügen. Bakterien und Keime fließen im Trinkwasser zurück in die Häuser.
1866 erlebt Berlin eine Choleraepidemie.
Später wettert auch Reichskanzler Fürst von Bismarck gegen den schlechten Wassergeschmack. Eisengranulat und Algen im Trinkwasser? Am „in allen Beziehungen tadellosen Wasser“ wird fortan energisch gearbeitet.
Die Goldenen 20er Jahre
Am 1. Januar 1878 schickt das erste Radialsystem der Berliner Stadtentwässerung die Kloake unterirdisch auf Rieselfelder und nicht mehr in die Spree. Die Idee Kanalisation setzt sich gegen die Latrinen-Entleerer durch.
50 Jahre später strahlt die 4-Millionen-Metropole im Glanz der „Goldenen 20er Jahre“. Der Gestank ist vor die Tore der Stadt verbannt: Auf 25.000 Hektar. Friedrich Wiebe, James Hobrecht und Rudolf Virchow sind die Helden der Berliner Stadtentwässerung und gehen in die Geschichte ein.
Kanäle, Pumpen, Rieselfelder
Die Idee, Berlin in 12 unabhängige Radialsysteme aufzuteilen stammt von James Hobrecht. Gebaut werden nach seinen Plänen akkurat gemauerte Kanäle mit Gefälle. Das Abwasser sammelt sich an den tiefsten Stellen und wird bis an den Stadtrand gepumpt.
Das dreckige Wasser versickert auf Rieselfeldern im Boden. Steine und Erdschichten reinigen das Abwasser mechanisch und biologisch. Gräben rund um die Felder sammeln das gereinigte Wasser wieder ein und führen es in die Flüsse zurück.